Antikoloniale Visionen

Wie Bewegungen weltweit das Erbe des Deutschen Kolonialismus herausfordern

Fakten & Hintergrund

Der Comic „Geraubte Geschichte. Vernyuys Suche auf den Spuren der Ngonnso zeigt einen biografischen Auszug aus dem Leben der kamerunischen Filmemacherin und Aktivistin Sylvie Vernyuy Njobati.

Die hier erzählte Geschichte basiert auf Interviews mit Njobati sowie auf historischen und zeitgenössischen Quellen. Der Comic orientiert sich an den realen zeitlichen Abläufen und Handlungen, die Dialoge, sowie einige Personen sind jedoch fiktiv.

Njobati wurde 1991 in einem Dorf in Nso im Nordwesten Kameruns geboren und wuchs bei ihren Großeltern auf. 2016 gründete sie in Bamenda die Organisation Sysy House of Fame, heute REGARTLESS. Mit Theater-, Film- und Performanceprojekten begann sie für die Auswirkungen des Kolonialismus in Kamerun zu sensibilisieren. Mit der Social‑Media‑Kampagne #BringBackNgonnso mobilisierte sie globale Aufmerksamkeit für das Fehlen der Ngonnso im Königreich Nso seit 1902.

Sylvie Vernyuy Njobati vor der ausgestellten Ngonnso im Humboldt Forum in Berlin, 2022. © Marc Sebastian Elis

Kamerun kolonial

Die Grenzen Kameruns wurden erstmals auf der Berliner Afrika-Konferenz 1884/85 durch europäische Großmächte festgelegt und das Gebiet dem Deutschen Reich zugesprochen. Um das auf der Berliner Konferenz zugeteilte Gebiet zu kontrollieren, versuchten die Deutschen zunächst Verträge mit verschiedenen, an der Küste ansässigen Königreichen zu schließen. In vielen Fällen brachen sie allerdings in kürzester Zeit mit den Verträgen, was zum Widerstand der Menschen vor Ort führte. Je weiter sie ins Landesinnere vordrangen, attackierten sie Königreiche auch direkt, um sie zu unterwerfen. Sie zerstörten Städte und Dörfer, verbannten Könige und töteten Tausende von Menschen. Bei vielen dieser militärischen Interventionen entwendeten sie zudem Kulturgüter, die für die Königreiche von großem spirituellem oder kulturellem Wert sind. Über 40.000 dieser Kulturgüter sind bis heute im Besitz deutscher Museen.

Deutschland als globale Kolonialmacht

Deutsche waren immer in europäische Expansionsbestrebungen involviert. So reisten deutsche Handelsleute und Forschende auf portugiesischen und spanischen Schiffen vor rund 500 Jahren nach Indien oder Amerika. Bereits im 15. Jahrhundert gab es zudem Versuche deutscher Königs- oder Adelsfamilien, selbst Kolonien zu gründen. So gründete beispielsweise der Kurfürst Friedrich Wilhelm die Kolonie Groß Friedrichsburg an der westafrikanischen Küste, im heutigen Ghana, und war am transatlantischen Versklavungshandel beteiligt. Große deutsche Handelskompagnien begannen aktiv ab Mitte des 19. Jahrhunderts koloniale Projekte voranzutreiben. Auf der Berliner Afrika-Konferenz wurde dem Deutschen Reich Gebiete in Afrika, Asien und im Pazifik zugesprochen. Deutsche koloniale Politiken waren von extremer Gewalt gekennzeichnet und koloniale Herrschaft zeichnete sich durch die Umstrukturierung quasi aller Lebensbereiche der lokalen Bevölkerungsgruppen aus. Die Nachwirkungen dieser Kolonialpolitiken sind in den ehemals kolonialisierten Ländern bis heute spürbar.

Raubgut in deutschen Museen

Aus allen Regionen, die Deutschland als Kolonialmacht besetzte, entwendeten sie Kulturgüter. Diese befinden sich bis heute in deutschen Museen. Zudem haben Museen Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Sammlungen durch Ankäufe aus anderen europäischen Ländern, wie Frankreich oder Großbritannien, erworben. Auch diese Gegenstände sind im kolonialen Kontext nach Europa gebracht worden. Die Bestände, insbesondere der ethnologischen Museen, sind riesig. Häufig sind den Museen die genauen Ursprungsregionen und jeweiligen Funktionen der Objekte für die Herkunftsgesellschaften bis heute nicht bekannt. So befinden sich beispielsweise ca. 500.000 Gegenstände im Besitz des Ethnologischen Museums im Humboldt-Forum.

Folgende Gebiete besetzte Deutschland von 1884/85-1919

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