Widerstand gegen die Deutschen gab es von Anfang an
Im kamerunischen Bildungswesen wird die Deutsche Kolonialgeschichte häufig romantisiert. Der Historiker Roland Ndille Ntongwe fordert eine kritischere Sicht auf das deutsche Kolonialprojekt sowie mehr Diskussion über dessen Auswirkungen bis heute.
Der Bismark-Brunnen in Buea wurde 1899 fertiggestellt. Die Deutschen hatten hier ab 1901 den Hauptsitz ihrer Kolonialverwaltung in Kamerun angesiedelt. Die deutsche Besetzung schlägt sich bis heute im Stadtbild wieder. © Daina
Wie etablierten die Deutschen ihr Kolonialregime in Kamerun?
Zunächst mussten sie ins Landesinnere vordringen, denn 1884 hatten sie zunächst nur Verträge mit den Duala und einigen anderen Bevölkerungsgruppen an der Küste geschlossen. Aber in vielen Gebieten widersetzte sich die Bevölkerung dem deutschen Verwaltungsprozess und weigerte sich, Verträge zu unterzeichnen. Hier setzten die Deutschen bewaffnete Truppen ein und bauten Militärstationen, um jeglichen Widerstand abzuwenden. Sie begannen in Plantagen zu investieren – hauptsächlich in den Gebieten um den Kamerunberg im Südwesten des Landes. Diese Gebiete sind wegen des vulkanischen Bodens sehr fruchtbar. Um den Transport der Produkte zu erleichtern, legten sie Straßen und Eisenbahntrassen an. Und weil sie gesunde Arbeiter und Menschen brauchten, die ihre Sprache verstanden, wurden mit der Zeit Krankenhäuser und Schulen gebaut.
Welche Rolle spielte Zwangsarbeit in diesem Prozess?
Für dieses gewaltige Projekt brauchte die deutsche Kolonialverwaltung Tausende von Arbeitskräften. In den Plantagen gab es eine sehr geringe Bezahlung, während bei den meisten der infrastrukturellen Projekte viele Leute zu unbezahlter Arbeit gezwungen wurden und Tausende Menschen starben. Man kann eigentlich sagen, dass alles, was die deutsche Kolonialmacht in Kamerun getan hat, mit Gewalt durchgesetzt wurde. Denn auch die Arbeiter auf den Plantagen waren indirekt gezwungen, dort zu arbeiten. Die Deutschen hatten die Geldwirtschaft und ein neues Steuersystem eingeführt und Menschen, die ihre Steuern nicht bezahlen konnten, wurden aus dem Landesinneren auf die Plantagen verschleppt. Wenn ein Dorfoberhaupt die Zwangsarbeit seiner Leute ablehnte, wurde derjenige öffentlich geschlagen. Kooperierte das Dorfoberhaupt auch nach der öffentlichen Prügel nicht, verbannten oder töteten die Deutschen ihn. So wurden viele Führungsfiguren ins Exil geschickt. Die Deutschen brachten sie in eine andere Region, weit weg von ihrer Heimat, um sie zu entwurzeln.
Welche anderen Widerstandskämpfer*innen gegen die Deutschen gab es in Kamerun neben Duala Manga Bell?
Widerstand gegen die Deutschen gab es von Anfang an: Als der Großvater von König Bell den Germano-Duala-Vertrag unterzeichnete, stellte sich ein anderer König der Duala, Kum’a Mbape, dagegen. Vor allem im Zentrum des Landes gab es viel Widerstand; die Beti, die Bulu und die Wundo, die sich alle gegen die kolonialen wirtschaftlichen Forderungen wehrten. Die kriegerische Antwort der Deutschen auf diesen Widerstand hat in manchen Teilen des Landes übrigens bis heute Auswirkungen: So errichteten die Deutschen ihre Plantagen entlang des Kamerunberges. Dieses Land war Ackerland der Bakweri. Die Deutschen griffen die Bakweri an, brannten ihre Dörfer nieder. Bis heute ist diese Landfrage in Buea nicht gelöst, weil die deutschen Plantagen immer noch existieren. Die Plantagen wurden später von den Briten eingenommen und dann nach der Unabhängigkeit Kameruns anderen Plantagenunternehmern überlassen.
Das koloniale Projekt wurde auch auf kultureller und religiöser Ebene vorangetrieben. Wie haben die Deutschen ihre Kultur durchgesetzt und wie war die Reaktion darauf?
Die deutsche Kultur wurde hauptsächlich durch das Bildungssystem durchgesetzt. Bevor die Deutschen kamen, gab es an der kamerunischen Küste vor allem englische Missionsschulen. Viele dieser englischen Missionare unterrichteten ihre Schüler auch in den Landessprachen. Aber seit 1907 die erste Bildungskonferenz stattfand und 1910 das erste Bildungsgesetz verabschiedet wurde, wurde der Unterricht in Deutsch sowie die Vermittlung der deutschen Geschichte und Kultur stärker gefördert. Die deutschen Kolonialherren gewährten höhere Zuschüsse an Missionsschulen, die den Unterricht in deutscher Sprache förderten. Es ist wichtig zu wissen, dass sich die Duala-Sprache bereits im Schulsystem entlang der Küste und bis nach Buea verbreitet hatte. Die Missionare wurden zu Agenten des Kolonialsystems, indem sie den Lehrplan der Schulen änderten.
Lassen Sie uns weiter über das Missionsprojekt sprechen: In Kamerun gab es englische, schweizerische und auch deutsche Missionare. Wie wurden sie empfangen?
Anfangs wurden die Missionare oft gut aufgenommen, weil sie das mitbrachten, was man das Wort Gottes nannte. Aber an einigen Orten gab es Widerstand, zum Beispiel in Bimbia im Süden Kameruns, und auch an anderen Orten. Widerstände wuchsen, wenn die Missionare begannen, die lokale Kultur zu beeinflussen oder wenn sie traditionelle Rituale oder die Polygamie einschränken wollten. Die christliche Religion wurde akzeptiert, solange sie mit traditionellen Wertesystemen koexistieren konnte.
Wie wird die deutsche Kolonialzeit heute im kamerunischen Bildungssystem behandelt?
Eigentlich wird sie auf allen Bildungsebenen in der Primar- und Sekundarschule und in der Universität behandelt. An meiner Universität in Buea gibt es einen vollständigen Pflichtkurs zur deutschen Kolonialgeschichte. Aber das Problem ist die Art und Weise, wie unterrichtet wird. Zum einen wird sie als Faktenwissen – als Erzählung – präsentiert. Sie wird kaum analysiert oder kritisiert. Einige Lehrer romantisieren die deutsche Kolonialzeit nach wie vor. Häufig verfügen sie nicht über ausreichend Wissen und vergleichen die deutsche, französische und englische Kolonialzeit miteinander. Ihr Resümee ist dann: Zumindest haben die Deutschen Infrastruktur und einige Gebäude hinterlassen. Aber der Kolonialismus war reine Ausbeutung. Das Wenige an Infrastruktur wurde ausschließlich für den ökonomischen Nutzen etabliert. Die Europäer profitieren bis heute vom Kolonialismus. Deshalb sollten wir Lehrer und Lehrerinnen, Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, unsere Geschichte kritisch zu analysieren.
Was erhoffen Sie sich davon?
In Kamerun stellt sich immer noch die Frage der Abhängigkeit – viele Menschen glauben nach wie vor, dass alles Gute aus Europa kommt. Dies ist auch mental eine Folge des Unterrichts in den Schulen. Es gab Kultur, es gab Leben und es gab Zivilisation in Afrika – auch vor der Ankunft der Europäer. Würde Europa den Kontinent bis heute nicht ökonomisch ausbeuten, Afrika hätte sich wie der Rest der Welt entwickelt. Wir wären einen eigenen Weg gegangen. Voraussetzung für einen Mentalitätswandel ist jedoch meiner Ansicht nach eine andere Sichtweise auf die Welt und ein Verständnis davon, wie Geschichte unsere Gegenwart formt.
Dr. Roland Ndille Ntongwe ist Dozent für Geschichte an der Universität Buea in Kamerun. Schwerpunkte seiner Forschung sind Geschichtspädagogik, Bildungspolitik, postkoloniale Theorien sowie Arbeits- und Religionsgeschichte in Kamerun.
Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt.
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